FAQ: Agile Verwaltung

1. Allgemein

Was bedeutet Agilität?

Agilität eindeutig zu beschreiben ist schwierig, da es eine Vielzahl von Definitionen und Interpretationen gibt. Zudem ist die konkrete Ausprägung der Agilität einer Organisation stark von deren individuellen Umständen abhängig.

Ursprünglich entstammt der Begriff Agilität den systematischen Organisationstheorien der 1950er Jahre. Seitdem wurde er in unterschiedlichsten Kontexten verwendet und weiterentwickelt. Besonders geprägt wurde unser heutiges Verständnis von Agilität in den 2000ern, als agile Entwicklungsmethoden die Software- und IT-Industrie revolutionierten. Aus diesen Methoden entstanden Ansätze für das Projektmanagement und die Organisationsentwicklung, die seither auch in nicht informatischen Bereichen verwendet werden.

Allgemein betrachtet lässt sich Agilität als die Fähigkeit beschreiben, in einem von hoher Dynamik und unbekannten Wechselwirkungen geprägten Umfeld effektiv und zukunftssicher agieren zu können.

Autorin: Julia Taubenberger

2. Agilität in der Verwaltung

2.1 Vorteile

Warum gibt es den Ruf nach einer agilen Verwaltung?

Agilität wird als strategische Antwort auf die zunehmende Komplexität, Schnelllebigkeit und Unvorhersehbarkeit unserer Umwelt gesehen. Aktuelle Entwicklungen wie die Globalisierung, der Klimawandel oder die Digitalisierung stellen die öffentliche Hand vor ungeahnte Herausforderungen, für die es keine vordefinierten oder klar planbaren Lösungen gibt. Die anhaltende Covid-19-Pandemie zeigt eindrücklich auf, wie komplex – das heißt vernetzt und unvorhersehbar – globale Thematiken geworden sind.

Um mit dieser Komplexität bestmöglich umzugehen und die Herausforderungen zu lösen, bedarf es neuer Arbeitsansätze und Organisationsmodelle. Zukünftig wird die öffentliche Hand nicht nur flexibler, reaktiver, innovativer und kommunikativer werden müssen, sondern sich auch als bürgerzentrierten Dienstleister verstehen müssen. Da diese Anforderungen von hierarchischen Strukturen und bürokratischen Prozessen nur unzureichend abgedeckt werden können, wird ein iteratives Vorgehen, die fachübergreifende Zusammenarbeit, die Kooperation mit externen Partnern und Bürgern sowie das schnelle Entwickeln, Präsentieren und Anpassen von Ergebnissen – sprich ein agiles Vorgehen – forciert.

Autorin: Julia Taubenberger

Welchen Mehrwert schafft Agilität in der Verwaltung?

Die Hauptvorteile der Agilität im Vergleich zu traditionellen Arbeitsansätzen sind das ressortübergreifende Zusammenarbeiten und die daraus resultierende Vielfalt von Fach- und Methodenkompetenzen in einem Team, die erhöhte Geschwindigkeit beim Abschließen von Projekten, das frühzeitige Erkennen von Fehlern und die Möglichkeit, auf diese zu reagieren, eine bessere Übereinstimmung des Endergebnisses mit den ursprünglichen Anforderungen sowie eine stärkere Bürgerzentrierung.

Darüber hinaus wirkt sich die Agilität auch positiv auf die Zusammenarbeit der Mitarbeiter und auf das Teamgefüge aus. Durch die Anwendung agiler Arbeitsweisen kommunizieren Mitarbeiter nicht nur häufiger untereinander, sondern auch transparenter. Das wiederum erleichtert es, Aufgaben innerhalb eines Teams zu koordinieren und einzelne Mitarbeiter zu entlasten. Zudem ist eine erhöhte Motivation der Mitarbeiterschaft durch die Einführung agiler Arbeitsweisen feststellbar.

Auch bezüglich der Außenwirkung öffentlicher Organisationen kann die verstärkte Nutzung agiler Arbeitsweisen eine sehr positive Wirkung haben. Eine Veränderung hin zu flexibleren Arbeitsweisen und weniger hierarchischen Strukturen kann maßgeblich dazu beitragen, das steife Image des öffentlichen Sektors abzustreifen und ein attraktiverer Arbeitgeber, besonders für junge Bewerber, zu werden. In Anbetracht des anhaltenden Fachkräftemangels und bevorstehenden demografischen Wandels ist es für Behörden wichtiger denn je, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen.

Autorin: Julia Elena Taubenberger

2.2 Arbeitsweisen

Welche agilen Arbeitsweisen gibt es?

Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen agilen Arbeitsweisen, die in der öffentlichen Verwaltung eingesetzt werden können, wie etwa Design Thinking, Scrum, Kanban, Customer Journey Mapping oder Lean Start-up. Diese können zu unterschiedlichen Zwecken verwendet werden. Während Design Thinking in Innovationsprojekten oder Kreativitätsphasen eingesetzt werden kann, unterstützt Kanban Mitarbeiter bei der Projektkoordination. Daher gilt es, agile Arbeitsweisen nach ihrem konkreten Nutzen für eine bestimmte Anforderung auszuwählen.

Autorin: Julia Elena Taubenberger

Wie werden agile Arbeitsweisen in der Verwaltung eingesetzt?

Auch wenn die Agilität in der Verwaltung noch längst nicht so verbreitet genutzt wird wie in der Privatwirtschaft, gibt es bereits Referate und Abteilungen, die agil arbeiten. Vermehrt werden agile Arbeitsweisen in Bereichen der öffentlichen Verwaltung angewandt, die komplexe Thematiken, wie beispielsweise die Umsetzung der aktuellen Digitalisierungsvorhaben, verantworten. So können Arbeitsflüsse eines Teams oder eines gesamten Referats zum Beispiel mit einem Kanban Board koordiniert und sichtbarer gemacht werden. Die Digitalisierung eines analogen Prozesses hingegen kann mit Hilfe von Scrum erfolgen.

Autorin: Julia Elena Taubenberger

2.3 Hürden

Warum wird Agilität in Organisationen des öffentlichen Sektors nur zögerlich angenommen?

Allgemein lässt sich feststellen, dass der kollektive Kenntnisstand der öffentlichen Hand bezüglich agiler Arbeitsansätze und Organisationsformen noch recht gering ist. Da es keine agilen Schulungsangebote gibt, haben Mitarbeiter häufig nur ein sehr rudimentäres Wissen zum Thema Agilität. Noch dazu ist der Begriff negativ belastet und wird fälschlicherweise als Leistungskontrolle verstanden, weshalb viele Angestellte der öffentlichen Hand der Agilität zögerlich, skeptisch und misstrauisch gegenüberstehen.

Darüber hinaus steht es mit der agilen Transformation wie mit allen anderen Veränderungen auch: Menschen sträuben sich vor Neuerungen und beäugen Ungewohntes erst einmal kritisch.

Autorin: Julia Elena Taubenberger

Was sind die größten Herausforderungen bei der Einführung und Nutzung von agilen Ansätzen in öffentlichen Organisationen?

Die Einführung agiler Arbeitsansätze in der öffentlichen Verwaltung stößt auf dreierlei Herausforderungen, nämlich auf rechtliche, strukturelle und kulturelle Hürden.

Gesetzliche Vorgaben im Bereich der öffentlichen Ausschreibung erschweren beispielsweise den agilen Projektansatz, da die Vorabkonzeptionierung eines Projektes anhand eines Pflichtenheftes ein iteratives und sukzessives Vorgehen verhindert.

Zudem erschweren die ausgeprägten Hierarchien der öffentlichen Verwaltung die Organisation von Mitarbeitern in autonomen und hierarchiefreien agilen Teams. Agile Rollen wie die des Product Owner oder Scrum Master sind in den aktuellen Organisationsstrukturen der öffentlichen Verwaltung und den damit verbundenen Vergütungsmodellen nur schwer abbildbar. Und auch die klare Definition von Verantwortungen und die eindeutige Zuteilung eines Mitarbeiters zu einem bestimmten Fachbereich erschweren das ressortübergreifende Zusammenarbeiten in agilen Teams.

Eine der größten Herausforderungen stellt jedoch die aktuelle Verwaltungskultur dar. Auf Grund der beschriebenen strukturellen Besonderheiten des öffentlichen Sektors ist die Organisationskultur von einer starken juristischen Orientierung und von einem Silodenken geprägt. Um agile Arbeitsansätze nachhaltig in der öffentlichen Verwaltung zu verankern, bedarf es daher eines kulturellen Wandels hin zur stärkeren Bürgerorientierung und zur Innovationskultur.

Autorin: Julia Elena Taubenberger

2.4 Beschleuniger

Welche Faktoren begünstigen den agilen Wandel der öffentlichen Verwaltung?

Die rapide voranschreitende Digitalisierung und der damit wachsende Druck auf öffentliche Behörden, Verwaltungsleistungen zukünftig auch digital anzubieten, erfordert neue Arbeitsansätze und Organisationsformen in der Verwaltung. Um der Erwartungshaltung der Bürger und Unternehmen gerecht werden zu können, wird sich die öffentliche Verwaltung zunehmend agiler Ansätze bedienen müssen.

Zudem erfordern der anstehende demografische Wandel und der daraus resultierende Wegfall von Mitarbeitern eine Modernisierung der Arbeitsweisen und Organisationsstrukturen der öffentlichen Hand. Nur so können zukünftig junge und qualifizierte Mitarbeiter gewonnen werden, die aktuell von hierarchischen Strukturen, bürokratischen Prozessen und veralteten Arbeitsmethoden abgeschreckt werden.

Diese beiden Entwicklungen üben einen starken Druck auf die öffentliche Hand aus, sich zu modernisieren, und begünstigen somit den Wandel hin zur agilen Verwaltung.

Autorin: Julia Elena Taubenberger